Wetterregeln für den Segler, für die Seglerin
🌤️ 1. Grundlegende Himmelsbeobachtungen
Abendrot und Morgenrot
„Abendrot – Gutwetterbot.
Morgenrot – mit Regen droht.“
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Erklärung:
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Abendrot bedeutet, dass die untergehende Sonne die Wolken im Osten beleuchtet → im Westen (von wo das Wetter kommt) ist der Himmel klar → Hochdruck und gutes Wetter naht.
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Morgenrot heißt, die aufgehende Sonne beleuchtet Wolken im Westen → dort liegt ein heranziehendes Tiefdruckgebiet → Schlechtwetter droht.
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Wolkenentwicklung
„Türmchen am Himmel, bald Schirmchen am Arm.“
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Erklärung:
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Wenn sich aus flachen Schichtwolken (Stratus) am Vormittag schnell Quellwolken (Cumulus) mit hoher Oberkante („Türmchen“) entwickeln, ist die Atmosphäre labil → Gefahr von Schauern oder Gewittern.
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„Wolken, die sich legen, wollen sich bewegen.“
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Erklärung:
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Sinkende Wolkenbasis deutet auf zunehmende Luftfeuchtigkeit und das Herannahen einer Front hin.
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Ring um Sonne oder Mond
„Ring um Mond und Sonne – bringt Regen ohne Wonne.“
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Erklärung:
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Ein heller Hof oder Ring entsteht durch Brechung des Lichts an Eiskristallen in hohen Cirrostratuswolken → diese Wolken sind meist Vorboten einer Warmfront → in 12–36 Stunden folgt Niederschlag.
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💨 2. Wind- und Druckregeln
Winddreher
„Dreht der Wind nach rechts (im Uhrzeigersinn) – bleibt das Wetter wie es ist.
Dreht der Wind nach links (gegen den Uhrzeigersinn) – kommt Regen und Sturm gewiss.“
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Erklärung:
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Auf der Nordhalbkugel deutet Rechtsdrehung (z.B. von Südwest auf West/Nordwest) auf herannahendes Hochdruckwetter,
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Linksdrehung (z.B. von West auf Südwest/Süd) auf ein sich näherndes Tief.
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Regen & Wind
„Kommt zuerst der Regen und dann der Wind – leg die Segel schnell geschwind.
Kommt zuerst der Wind und dann der Regen – kannst du dich auf Besserung legen.“
Erklärung:
Die Reihenfolge von Regen und Wind gibt oft einen Hinweis auf die Art und Lage der Wetterfront, die vorbeizieht:
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🌧️➡️💨 Regen zuerst, dann Wind
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Das deutet meist auf das Herannahen einer Warmfront hin.
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Bei einer Warmfront kommt zunächst dichter, gleichmäßiger Landregen, oft aus einer hohen, grauen Schichtbewölkung (Nimbostratus).
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Der Wind frischt erst nach dem Regen auf.
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Hinter der Warmfront folgt häufig eine Phase mit mäßigem, aber anhaltendem Wind und weiterhin bedecktem Himmel.
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Oft stellt sich danach eine eher schlechte, regnerische und feuchte Witterung ein.
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💨➡️🌧️ Wind zuerst, dann Regen
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Das ist typisch für eine Kaltfront.
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Zunächst frischt der Wind (meist böig und drehend) merklich auf, oft begleitet von Quellwolken (Cumulus, später Cumulonimbus).
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Erst wenn die eigentliche Front durchzieht, kommt es zu kräftigen, aber meist kurzzeitigen Schauern oder Gewittern.
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Dahinter beruhigt sich das Wetter häufig wieder: kühlere, klarere Luft, bessere Sicht und oft sogar Sonnenschein.
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Praktische Bedeutung für Segler
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Warmfront: Längere Verschlechterung mit anhaltendem Regen und oft zähem, grauem Himmel.
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Kaltfront: Kurzzeitiges Schlechtwetter mit kräftigem Wind und Schauern, aber dahinter oft gutes Segelwetter.
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Daher hilft die Regel, sich auf die Dauer und Art der Wetterverschlechterung einzustellen.
Barometerregel
„Fällt das Barometer schnell – kommt Sturm und Regen schnell.
Fällt es langsam – hält sich das schlechte Wetter lang.“
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Erklärung:
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Schnelles Absinken des Luftdrucks zeigt ein rasch heranziehendes Tief mit Kaltfront und Sturmböen.
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Langsamer Druckabfall deutet auf eine ausgedehnte Warmfront und länger andauerndes Schlechtwetter.
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🌊 3. See- und Küstenzeichen
Schwell und Dünung
„Kommt Dünung vor dem Wind, dann sei geschwind.“
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Erklärung:
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Wenn lange Wellen (Dünung) aus anderer Richtung auflaufen als der aktuelle Wind, kündigt das ein entferntes Sturmfeld an, das sich nähert.
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Gischt und Schaumkronen
„Weiße Schaumkronen im Sonnenschein – bald wird’s stürmisch sein.“
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Erklärung:
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Früh auftretende Schaumkronen und sich verkürzende Wellenperiode sind Zeichen zunehmenden Winds.
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🕰️ 4. Tagesgang und Wärme
Morgentau
„Tau auf den Wiesen am Morgen – kannst du den ganzen Tag Sonnenschein borgen.“
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Erklärung:
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Reiche Taubildung bedeutet, dass die Nacht klar und windstill war → stabile Hochdrucklage.
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Sommerliche Gewitter
„Steigt am Morgen der Nebel bald, wird der Nachmittag nicht alt.“
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Erklärung:
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Früh auflösender Nebel zeigt starke Einstrahlung und Erwärmung → fördert Konvektion und Gewitterbildung am Nachmittag.
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⛴️ 5. Klassische Seemannssprüche
Wolkenbilder
„Mackerelenschwarm und Hahnenkamm – hol die Segel schnell heran.“
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Erklärung:
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Fischschuppenartige Cirrocumulus-Wolken („Mackerelenhimmel“) und federige Cirrus („Hahnenkamm“) deuten auf zunehmende Feuchtigkeit und Labilität vor einer Front → frischer Wind und Regen folgen bald.
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Drucktendenz bei Starkwind
„Fällt das Glas wie ein Stein, bleib im Hafen, lass das sein.“
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Erklärung:
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„Glas“ = Barometer; steiler Druckfall kündigt Sturm an.
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📦 6. Kompakte Übersicht für Segler
Phänomen | Regel (Merkspruch) | Deutung / Wetterentwicklung |
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Abendrot | „Gutwetterbot“ | Hochdruck naht, oft schön |
Morgenrot | „Mit Regen droht“ | Warmfront naht, Regen |
Ring um Sonne/Mond | „Bringt Regen ohne Wonne“ | Warmfront in 12–36 h |
Wolkentürme | „Türmchen am Himmel – Schirmchen am Arm“ | Labil, Schauer/Gewitter |
Wind dreht nach rechts | „Wetter bleibt“ | Hochdruck, Besserung |
Wind dreht nach links | „Regen und Sturm gewiss“ | Tief nähert sich |
Regen vor Wind | „Leg die Segel geschwind“ | Warmfront, langanhaltend |
Wind vor Regen | „Kannst du auf Besserung legen“ | Kaltfront, kurzzeitiger Regen |
Schneller Druckfall | „Sturm und Regen schnell“ | Sturmfront naht |
Langsamer Druckfall | „Schlechtwetter hält lang“ | Warmfrontschlechtwetter |
Dünung aus anderer Richtung | „Sei geschwind“ | Sturm in der Ferne |
Morgentau | „Sonnenschein borgen“ | Stabil, Hochdruckwetter |
🪶 1. Zeichen in der Natur
Tierverhalten
„Schwalben fliegen hoch – das Wetter bleibt noch.
Schwalben fliegen tief – bald gibt’s Regen und Mief.“
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Erklärung:
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Bei ruhigem, trockenem Wetter fliegen Insekten höher → Schwalben jagen sie oben.
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Bei feuchter, kühler Luft und vor Wetterverschlechterung sinken die Insekten tiefer → Schwalben folgen.
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„Mücken tanzen im Abendstrahl – bleibt das Wetter schön und klar.
Stechen sie schon früh am Tag – kommt Gewitter ohne Frag.“
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Erklärung:
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Mücken und kleine Insekten brauchen ruhige, warme Luft.
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Frühzeitiges, unruhiges Umherfliegen deutet auf steigende Feuchte und bevorstehende Gewitter.
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„Ruft der Kuckuck lang und rein – bleibt der Frühling heiter und fein.“
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Erklärung:
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Volksregel: Kuckuck ruft bei stabilem, trockenem Wetter.
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Bei stärkerem Wind oder Regen verstummt er.
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Pflanzen
„Kleeblatt schließt und Blumen sich neigen – musst du bald den Regen zeigen.“
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Erklärung:
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Einige Pflanzen (z. B. Klee, Gänseblümchen) reagieren auf steigende Luftfeuchtigkeit und schließen Blätter und Blüten vor Regen.
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🌫️ 2. Nebel- und Sichtregeln
„Nebel am Morgen ist des Seglers Freund.“
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Erklärung:
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Boden- oder Strahlungsnebel bildet sich bei klarer Nacht und schwachem Wind → Zeichen für Hochdruck und bald sonniges Wetter.
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Der Nebel löst sich meist am Vormittag auf.
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„Novembernebel steigt nicht hoch – bleibt das Wetter trocken und froh.“
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Erklärung:
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Niedrig bleibender Nebel signalisiert Inversionswetter, häufig trocken und stabil.
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Steigt der Nebel zu Wolken auf, droht ein Tief.
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„Fällt der Tau, bleibt das Wetter schön und lau.“
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Erklärung:
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Starke Taubildung in der Nacht bedeutet klare, ruhige Luft und fehlende Wolken – typisch für beständiges Wetter.
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🌀 3. Fronten und Wolkenbilder (ergänzend)
„Cirren wie Pferdeschwänze, warm und feucht die Winde – bring dem Segler Regenkinde.“
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Erklärung:
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Dünne Cirruswolken in Bändern oder Schleiern („Mähnenwolken“) kündigen in der Regel eine herannahende Warmfront an.
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„Türmchen-Wolken, schön und weiß – bringen Wärme ohne Schweiß.
Türmchen grau und höher steigend – bald der Donner zu uns neigend.“
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Erklärung:
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Flache Cumuluswolken in weißer Farbe zeigen gute Thermik und schönes Wetter.
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Wenn sie am Nachmittag dunkle Quellungen bilden, entwickelt sich Konvektion bis zum Gewitter.
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⚓ 4. Seemännische Küstenregeln
„Wenn die Klippen donnern, bleib lieber im Hafen.“
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Erklärung:
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Auflaufende Brandung und „Donnern“ der Wellen an Felsen deuten auf Schwell und Starkwind in See.
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„Nordwind bringt klaren Himmel, Südwind trüben.“
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Erklärung:
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In Mitteleuropa: Nord- bis Nordostwind kommt meist von Hochdruck über Skandinavien, kühle, trockene Luft, gute Sicht.
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Süd- und Südwestwind bringt feuchte, warme Luft aus Tiefdruckgebieten → Wolken und Regen.
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„Westwind macht die Welle kurz, Nordost den Himmel klar.“
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Erklärung:
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Westwind herrscht in unseren Breiten vor und bringt atlantische Tiefs → bewegte See und wechselhaftes Wetter.
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Nordostlagen dagegen oft mit stabilem Hoch → ruhiges Wasser, klare Sicht.
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💨 5. Barometer-Feinheiten
„Steigt das Glas langsam und stet – gibt es gutes Wetter spät.“
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Erklärung:
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Nach Durchzug einer Front baut sich das Hoch nur langsam auf → noch ein, zwei Tage wechselhaft, dann schön.
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„Steigt das Glas plötzlich und schnell – kommt bald der Sturm zur Stell.“
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Erklärung:
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Sehr schneller Druckanstieg kann auf ein starkes Hoch hinter einer Kaltfront hindeuten → bei gleichzeitigem starkem Gradient droht Sturm.
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🌈 6. Optische Phänomene
„Doppelte Regenbögen und flache Bögen – bringen Wind und nasse Wogen.“
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Erklärung:
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Tritt ein Regenbogen ungewöhnlich breit oder flach auf, liegt die Sonne tiefer und das Wetter ist labil.
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Häufig im Sommer vor Gewitterschauern.
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„Abendhimmel gelb und matt – bringt Regen in der Nacht.“
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Erklärung:
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Gelber oder milchiger Sonnenuntergang zeigt Staub und Feuchte in der Luft → Warmfront naht.
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🧭 7. Kompakte Erweiterung der Übersicht
Phänomen / Beobachtung | Regel (Merkspruch) | Typisches Wetter danach |
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Schwalben fliegen tief | „Bald kommt Regen und Mief“ | Tief nähert sich, feuchte Luft |
Mücken tanzen abends | „Bleibt das Wetter schön und klar“ | Stabile Hochdrucklage |
Nebel am Morgen | „Des Seglers Freund“ | Klart auf, sonnig |
Klippen donnern | „Bleib im Hafen“ | Starkwind, schwere See |
Nordwind | „Bringt klaren Himmel“ | Kalt, trocken, gute Sicht |
Südwind | „Bringt trüben Himmel“ | Feucht, mild, Niederschlag |
Cirrus wie Pferdeschwänze | „Bringt dem Segler Regenkinde“ | Warmfront naht |
Türmchen-Wolken grau | „Bald der Donner zu uns neigend“ | Gewittergefahr |
Doppelte Regenbögen | „Bringen Wind und nasse Wogen“ | Schauer, starker Wind |
Barometer steigt sehr schnell | „Sturm zur Stell“ | Starkwind |
📚 Hinweis
Viele dieser Regeln stammen aus Jahrhunderten der Seefahrt.
Dank moderner GRIB-Daten, Plottern, Wetter-Apps und Satellitenbildern können wir sie heute überprüfen – und stellen fest: Sie sind oft erstaunlich zuverlässig, wenn man sie im Kontext der Großwetterlage interpretiert.